Grundsätze

Kernthemen

Folgende Themen stehen bei der Ausscheidung des Gewässerraums im Siedlungsgebiet im Zentrum:

Ortsspezifische Gesamtschau

Die Gewässerräume sind in einer ortsspezifischen Gesamtschau und im Rahmen einer umfassenden Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Interessen in Anlehnung an Art. 3 RPV festzulegen. Nebst der Funktion und dem Charakter des Gewässerraums sind – soweit recht- und zweckmässig – auch die Bedürfnisse der Siedlungs- und Landschaftsentwicklung zu berücksichtigen. Innerhalb des Gewässerraums sind die natürlichen Funktionen des Gewässers möglichst zu verbessern (in Abstimmung mit der Revitalisierungsplanung) und der Hochwasserschutz sowie die Gewässernutzung (inkl. Erholungsnutzung) zu gewährleisten. Die ortsspezifische Gesamtschau ist besonders bei einer Festlegung des Gewässerraums in einem zusammenhängenden Planungsgebiet und bei Gründen zwingend, die für eine Vergrösserung (Schritt 3) oder Verkleinerung (Schritt 4) des Gewässerraums sprechen.

Gewässerraum an allen offenen Gewässern festlegen

Der Gewässerraum ist an allen offenen Gewässern gemäss kantonalem Gewässerplan festzulegen. Bei privaten Gewässern erfolgt eine fallweise Beurteilung. Bei Wasserrechtsanlagen im Nebenschluss von Gewässern wird nur dann ein Gewässerraum festgelegt, wenn es sich nachweislich um ein Gewässer im Sinne der Gewässerschutzgesetzgebung handelt. Der Gewässerraum orientiert sich – soweit recht- und zweckmässig – an bestehenden Vorgaben (Gewässerparzellen, Baulinien, Gewässerabstandslinien, Gewässerabstand etc.). Das heisst, dass nach Möglichkeit vorhandene Grundlagen und künftige Planungen berücksichtigt werden. Die im Gewässerschutz erzielten Erfolge (z. B. mit dem Gewässerabstand gemäss § 21 WWG) können dadurch gesichert und gezielt weiterentwickelt werden. Gemäss GSchV des Bundes «kann die Breite des Gewässerraums in dicht überbauten Gebieten den baulichen Gegebenheiten angepasst werden, soweit der Schutz vor Hochwasser gewährleistet ist». Dies ermöglicht im dicht überbauten Siedlungsgebiet einen gewissen Spielraum bei der Ausscheidung des Gewässerraums (Schritt 4). Die Interessen der Siedlungsentwicklung können berücksichtigt werden, sofern der Hochwasserschutz erfüllt ist. Eine Abweichung von den Mindestvorgaben der GSchV ist im Rahmen einer Interessenabwägung im Einzelfall zu begründen. Künftige Anpassungen des Gewässerraums aufgrund der baulichen Entwicklung in einem Gebiet bleiben möglich.

Gewässerraum bei eingedolten Gewässern

Gemäss Art. 38 Abs. 1 GSchG dürfen Fliessgewässer nicht überdeckt oder eingedolt werden. Eindolungen sind deshalb wo immer möglich offenzulegen. Um den Zugang zu einer Dole für deren Unterhalt und Ersatz zu sichern, wird im Grundsatz bei allen eingedolten Gewässern (inkl. überdeckte Hochwasserentlastungskanäle) ein Gewässerraum festgelegt. Zwingend ist die Festlegung bei Hochwasserschutzdefiziten oder einem vorhandenen Revitalisierungspotenzial im Sinne einer Ausdolung.

Die Festlegung eines Verzichts auf den Gewässerraum ist im Einzelfall möglich, wenn mit einem rechtlich und finanziell gesicherten Hochwasserschutzprojekt nachgewiesen wird, dass das vorliegende Hochwasserschutzdefizit mit Sicherheit nicht am gegenwärtigen Standort der Dole behoben werden kann. Die Festlegung eines Verzichts auf den Gewässerraum ist ebenfalls möglich, wenn eine Dole durch anderweitige, planerische Festlegungen, die das Gewässer vor Überstellung schützen und somit der Raumsicherung für das Gewässer dienen, oder durch die baulichen Gegebenheiten mit Sicherheit vor einer Überstellung mit Bauten und Anlagen geschützt ist. Da der Gewässerraum in solchen Fällen aber zur Sicherung einer minimale Eingriffsbreite dient, rät das AWEL grundsätzlich von der Festlegung eines Verzichts auf den Gewässerraum ab. Die Festlegung eines Verzichts auf den Gewässerraum muss in jedem Fall begründet werden. Durch die Ausscheidung eines minimalen Gewässerraums von mindestens 11 Metern auch bei eingedolten Gewässern entstehen in der Regel keine neuen Einschränkungen und die bewährte Praxis mit dem 5 Meter breiten Gewässerabstand kann beibehalten werden. In begründeten Fällen kann der mindestens 11 Meter breite Gewässerraum unterschritten werden, insbesondere wenn kein Revitalisierungspotenzial vorhanden oder ein kleinerer Gewässerraum für Unterhaltszwecke (Schritt 2 Eingedolte Fliessgewässer resp. Schritt 2 WR-Kanäle im Nebenschluss (eingedolt)) ausreichend ist. Im Gewässerraum von eingedolten Fliessgewässern gelten die Bewirtschaftungseinschränkungen (Dünger- und Pflanzenschutzmittelverbot) nicht.

Nachweis der Hochwassersicherheit

Die Gewährleistung des Hochwasserschutzes innerhalb des Gewässerraums ist ein zentrales Anliegen der revidierten Gewässerschutzgesetzgebung. Mit der Festlegung des Gewässerraums muss bei einem Hochwasserschutzdefizit nachgewiesen werden, wie gross der Gewässerraum sein muss, um den Hochwasserschutz gewährleisten zu können (Schritt 3 – Hochwasserschutz). Der Zugang für den Gewässerunterhalt ist dabei Teil des Hochwasserschutzes und in der Regel innerhalb des Gewässerraums sicherzustellen, sofern er nicht durch andere planerische Festlegungen oder die baulichen Gegebenheiten ausserhalb des Gewässerraums gesichert ist. Falls kein Hochwasserschutzdefizit vorliegt und keine Vergrösserung des Gewässerraums aus ökologischen Gründen oder aufgrund einer Gewässernutzung nötig wird, genügen in der Regel die Mindestbreiten gemäss GSchV. Der Nachweis der Hochwassersicherheit ist gemäss Art. 41a GSchV auch Grundvoraussetzung für die Anpassung des Gewässerraums an die baulichen Gegebenheiten im dicht überbauten Gebiet (Schritt 4). Die Hochwassersicherheit und die Sicherung des Zugangs für den Gewässerunterhalt sind bei einer Anpassung des Gewässerraums – insbesondere bei einer Unterschreitung der Mindestbreiten gemäss GSchV – in jedem Fall nachzuweisen (Schritt 4).

Berücksichtigung zusätzlicher Kriterien bei der Interessenabwägung

Im Gewässerraum sind aufgrund der Gewässerschutzgesetzgebung neben dem Hochwasserschutz folgende Funktionen zu gewährleisten:

  • Natürliche Funktionen: Transport von Wasser und Geschiebe, Ausbildung naturnaher Strukturvielfalt in den aquatischen, amphibischen und terrestrischen Lebensräumen, Entwicklung standorttypischer Lebensgemeinschaften, dynamische Entwicklung des Gewässers und die Vernetzung der Lebensräume. Dabei sind der Ist-Zustand und das Potenzial auf Grundlage der Revitalisierungsplanung zu beachten (Schritt 3 – Revitalisierung und Natur- und Landschaftsschutz).
  • Gewässernutzung: Wasserkraftnutzung, Erholungsnutzung, Anlagen zur Sanierung der Wasserkraft (Schritt 3 – Gewässernutzung)

Diese Funktionen können eine Vergrösserung des Gewässerraums über die Mindestbreiten hinaus nötig machen. Dadurch allenfalls betroffene Interessen, beispielsweise der Siedlungsentwicklung, der Landwirtschaft (landwirtschaftliche Nutzflächen, Bewirtschaftungseinschränkungen, Meliorationsanlagen, Betriebsstandorte mit Nutztierhaltung) oder des Bodenschutzes (Fruchtfolgeflächen, natürlich gewachsene Böden), sind in der Interessenabwägung, insbesondere hinsichtlich der Frage des erforderlichen Masses der Vergrösserung und der Anordnung des Gewässerraums (asymmetrische Anordnung, Harmonisierung), zu berücksichtigen.

Im Siedlungsgebiet ist in «dicht überbauten Gebieten» im Interesse der Siedlungsentwicklung eine Unterschreitung der Mindestbreiten des Gewässerraums möglich, sofern die Anliegen des Gewässerschutzes im verbleibenden Gewässerraum erfüllt sind (Schritt 4). Dabei sind in einer Interessenabwägung weitere Kriterien zu beachten und entsprechend zu gewichten:

  • Ortsplanerische und städtebauliche Aspekte (Zusammenpiel zwischen Gewässer-, Siedlungs- und Strassenraum, Entwicklungsplanungen, innere Verdichtung, Landschaftsbild etc.) mit dem Ziel, je nach Charakter und Bedeutung des Gewässers, bestehende (Lebensraum-) Qualitäten zu erhalten und neue schaffen zu können
  • Einfluss auf bestehende oder geplante ober- und unterirdische Infrastrukturen, wie z. B. Verkehrsverbindungen und Leitungen
  • Einfluss auf bestehende öffentliche und private Nutzungen
  • Stärkung der Erholungs- und Grünraumfunktion – insbesondere im dicht überbauten Gebiet
  • Aspekte des Ortsbild- und Denkmalschutzes und der Archäologie

Auch wenn der Gewässerraum im dicht überbauten Gebiet den baulichen Gegebenheiten angepasst und die Mindestbreiten unterschritten werden können, muss der verbleibende Gewässerraum den Hochwasserschutz gewährleisten und minimale, ökologische Funktionen wahrnehmen. Der Gewässerraum darf nur so weit beansprucht werden, wie dies zwingend nötig ist.

Anordnung des Gewässerraums

Der Gewässerraum wird in der Regel beidseitig gleichmässig zum Gewässer angeordnet. Bei besonderen Verhältnissen kann davon abgewichen werden, z. B. zur Verbesserung des Hochwasserschutzes, für Revitalisierungen, zur Förderung der Artenvielfalt, als Anordnungsspielraum bei bestehenden Bauten und Anlagen oder um den Gewässerraum im dicht überbauten Gebiet nicht den baulichen Gegebenheiten anpassen zu müssen (Schritt 4). Voraussetzung dafür ist, dass in der Gesamtbilanz aller Interessen eine insgesamt bessere Lösung erzielt werden kann und die Funktionen des Gewässerraums nicht geschmälert werden.

Bestandesgarantie und Bewilligungsfähigkeit von bestehenden Bauten und Anlagen

Bereits bestehende, rechtmässig erstellte und bestimmungsgemäss nutzbare Bauten und Anlagen, die sich innerhalb des Gewässerraums befinden, sind in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt. Sie dürfen weiterhin genutzt und unterhalten werden. Sie geniessen in der Bauzone darüber hinaus eine erweiterte Bestandesgarantie (§ 357 PBG). Damit bleiben gewisse Um- und Ausbauten/Erweiterungen sowie Nutzungsänderungen möglich. Vorbehalten bleiben anders lautende baurechtliche Bestimmungen. Im Grundsatz ist keine weitere Beanspruchung des Gewässerraums durch ober- und unterirdische Bauten und Anlagen unter dem Titel der Bestandesgarantie möglich. Für Erweiterungen, Ersatzbauten und Neuanlagen im Gewässerraum ist eine Einzelfallbeurteilung nötig. Sie sind grundsätzlich nur bewilligungsfähig, wenn sie nachweislich im öffentlichen Interesse liegen und standortgebunden sind.

Nebst den in der GSchV genannten Fuss- und Wanderwegen, Flusskraftwerken und Brücken sind auch weitere im öffentlichen Interesse liegende Infrastruktur- und Erholungsanlagen im Gewässerraum bewilligungsfähig, sofern sie in einem übergeordneten Gesamtkonzept stehen, die Gewässerschutz-, Natur- und Heimatschutzinteressen (Gefährdung von Habitaten und Landschaften) nicht verletzen und aus topographischen Gründen auf einen Standort am Gewässer angewiesen sind (standortgebundene Teile von Anlagen, die der Wasserentnahme oder –einleitung dienen wie z. B. ein Abwasserkanal im Freispiegel, Drainagehauptleitungen und Pumpwerke) oder aus erholungsfunktionalen Gründen am Gewässer liegen müssen. In jedem Fall müssen das öffentliche Interesse nachgewiesen und alternative Standorte geprüft werden. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen alleine sind nicht hinreichend. Der Eingriff in den Gewässerraum muss so gering wie möglich gehalten werden. Ausserhalb der Bauzone kommt innerhalb des Gewässerraums Art. 41c Abs. 2 GSchV und somit die verfassungsrechtliche Bestandesgarantie zur Anwendung. Für die Erweiterung, den Ersatz oder die Neuanlage von nicht standortgebundenen und/oder nicht im öffentlichen Interesse liegenden Bauten und Anlagen ist bei Vorliegen neuer Erkenntnisse in dicht überbauten Gebieten auch nach der Festlegung des Gewässerraums eine Ausnahmebewilligung möglich, falls die Bauten und Anlagen zonenkonform sind und keine überwiegenden (Gewässerschutz-) Interessen (insbesondere Hochwasserschutz) dagegen sprechen.

Gestaltung und Bewirtschaftung im Gewässerraum

Rechtmässig erstellte und bestimmungsgemäss nutzbare Bauten und Anlagen im Gewässerraum sind in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt. Neue Bauten und Anlagen sind im Gewässerraum grundsätzlich nicht mehr bewilligungsfähig, es sei denn, sie sind im öffentlichen Interesse und standortgebunden. Unter «Bauten und Anlagen» werden nicht nur jene Bauten und Anlagen verstanden, die einer Baubewilligungspflicht nach kantonalem Recht unterstehen. Unter «Bauten und Anlagen» im Sinne der Gewässerschutzgesetzgebung fallen sämtliche Bauten und Anlagen gemäss dem raumplanungsrechtlichen Begriff der Bauten und Anlagen; d. h. jene künstlich geschaffenen und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in bestimmter fester Beziehung zum Erdboden stehen und die Nutzungsordnung zu beeinflussen vermögen, weil sie entweder den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. Eine konkretisierende Begriffsumschreibung findet sich in § 1 der Allgemeinen Bauverordnung (ABV). Auch im Siedlungsgebiet darf der Gewässerraum nur extensiv bewirtschaftet werden. Der Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln ist grundsätzlich verboten. Eine extensive Gartennutzung soll aber möglich bleiben. Bereits heute ist gemäss der Chemikalien-Risikoreduktionsverordnung des Bundes (ChemRRV) in einem beidseitigen Drei-Meter-Streifen entlang der Gewässer die Verwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln verboten. Der Gewässerraum soll derart ausgeschieden werden, dass der Drei-Meter-Streifen gemäss ChemRRV in der Regel im Gewässerraum enthalten ist.

Die Bewirtschaftung (minimal notwendiger Einsatz von Dünger und ggf. Pflanzenschutzmitteln) gewisser Anlagen, für die nachweislich ein grosses öffentliches Interesse besteht (z.B. Rasenflächen von öffentlichen Parkanlagen oder Fussballplätzen), fällt unter den Titel der Bestandesgarantie, soweit die Vorgaben der ChemRRV eingehalten werden.
In von der Gewässerraumfestlegung betroffenen Waldarealen bleibt die Waldbewirtschaftung, insbesondere die Holznutzung auch im Gewässerraum uneingeschränkt möglich. Vorbehalten bleiben die Vorgaben der forstlichen Planung (WEP) sowie Natur- und Landschaftsschutzauflagen in Schutzgebieten. Auf die Holzlagerung im Gewässerraum ist grundsätzlich zu verzichten (Abschwemmgefahr bei Hochwasser). Sofern eine solche Lagerung im öffentlichen Interesse und standortgebunden ist, kann sie in einer Einzelfallbeurteilung mittels Vereinbarung bewilligt werden. Bei ausparzellierten Lagerplätzen, die im Rahmen von Meliorationen (Waldzusammenlegungen) entstanden sind, sowie bei eingedolten Bächen ist keine Vereinbarung nötig. Im Rahmen des Gewässerunterhalts sind die statisch festgesetzten Waldgrenzen zu respektieren (Mähen auf Waldareal ist nicht zulässig). Der durch den Gewässerraum betroffene Waldboden bleibt weiterhin der Waldgesetzgebung unterstellt.

Betroffenheit weiterer landwirtschaftlicher Interessen
  • Fruchtfolgeflächen im Gewässerraum
    Gemäss Art. 36a Abs. 3 GSchG gilt der Gewässerraum nicht als Fruchtfolgefläche (FFF). Überschneidet der Gewässerraum Flächen, die in den kantonalen Inventaren bereits als Fruchtfolgeflächen (FFF) verzeichnet sind, müssen die Kantone nach Art. 41cbis GSchV diejenigen Böden, die sich im Gewässerraum befinden und die (gemäss Sachplan FFF und RPV) weiterhin FFF-Qualität haben, separat ausweisen. Diese Böden können – als Potenzial – weiterhin zum Kontingent gezählt werden, erhalten aber einen besonderen Status. Im Krisenfall sind gemäss dem jeweiligen Notfallbeschluss die Böden im Gewässerrau mit FFF-Qualität als Letzte und nur im äussersten Notfall zur (vorübergehenden) intensiven Bewirtschaftung beizuziehen; dies ist sinnvoll, da der Gewässerraum insbesondere auch dem Schutz der Gewässer vor Eintrag von Nähr- und Schadstoffen der Landwirtschaft dient.
    Für einen effektiven Verlust an FFF ist nach den Vorgaben der Sachplanung des Bundes nach Art. 13 RPG Ersatz zu leisten. Ein solcher Verlust liegt jedoch erst vor, wenn FFF im oder ausserhalb des Gewässerraums durch ein Wasserbauprojekt effektiv beansprucht werden. Falls der Gewässerraum Kulturland enthält, so ist bei der Planung eines Hochwasserschutz-, Revitalisierungs- oder Natur- und Landschaftsprojekts am Gewässer zu gegebener Zeit in einer stufengerechten Interessenabwägung zu prüfen, wie die Beanspruchung von Kulturland und insbesondere von FFF durch eine Anpassung des Projekts minimiert werden kann (Art. 3 Abs. 2 Bst. a RPG).
  • Meliorationswege
    Gemäss Art. 41c Abs. 1 Bst. b GSchV sind land- und forstwirtschaftliche Spur- und Kieswege (u.a. Meliorationswege) mit Abstand von mindestens 3 m von der Uferlinie des Gewässers zulässig, wenn topografisch beschränkte Platzverhältnisse vorliegen. Zusätzlich kann die Behörde gemäss Art. 41c Abs. 4bis GSchV bei Strassen und Wegen mit einer Tragschicht oder bei Eisenbahnlinien entlang von Gewässern, wenn der Gewässerraum landseitig nur wenige Meter über die Verkehrsanlage hinausreicht, für den landseitigen Teil des Gewässerraums Ausnahmen von den Bewirtschaftungseinschränkungen nach Art. 41c Abs. 3 und 4 GSchV bewilligen, wenn keine Dünger oder Pflanzenschutzmittel ins Gewässer gelangen können. Diese Spezialregelung kann somit auch beim landseitigen Teil eines Gewässerraums, der über einen Meliorationsweg hinausragt, zur Anwendung kommen. Meliorationswege entlang von Gewässern werden häufig auch vom Gewässerunterhalt benutzt. Dann sind sie im Gewässerraum zulässig, da sie damit u.a. dem Hochwasserschutz dienen. Aus diesen Gründen sind Meliorationswege bei der Ausscheidung des Gewässerraums nicht speziell zu berücksichtigen.
Übergangsbereich

Zusätzlich zum Gewässerraum sollen die Gemeinden in Zukunft mit Gewässerabstandslinien einen Zwischenraum bezeichnen können, der einen Übergangsbereich zwischen dem Gewässerraum und angrenzenden Hoch- und Tiefbauten sichern soll. Dazu ist im Entwurf des neuen Wassergesetzes vorgesehen, § 67 PBG derart anzupassen, dass die Gemeinden die zulässigen Nutzungen innerhalb der Gewässerabstandslinien neu in der BZO definieren können. Damit kann verhindert werden, dass Hoch- und Tiefbauten direkt bis an den Gewässerraum errichtet und dadurch gewässerseitig keine Kleinbauten und Anlagen mehr erstellt werden können oder der Zugang für den Unterhalt erschwert wird. Bereits vorhandene Gewässerabstandslinien, die sich ortsplanerisch bewährt haben, können beibehalten werden.

Übergeordnete Prinzipien

Folgende übergeordnete Prinzipien kommen bei der Ausscheidung des Gewässerraums im Siedlungsgebiet zur Anwendung:

  • Die Festlegung des Gewässerraums erfolgt im gesamten Siedlungsgebiet sowohl bei den Fliessgewässern als auch bei den stehenden Gewässern.
  • Das «Siedlungsgebiet» umfasst die folgenden Zonen gemäss PBG: Bauzonen, Freihaltezonen, Erholungszonen, Reservezonen.
  • Bei landwirtschaftlich genutzten Freihaltezonen, welche sich weitab vom übrigen Siedlungsgebiet befinden, wird vorderhand noch keine Ausscheidung und Festlegung des Gewässerraums vorgenommen. Die Festlegung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt mit der Festlegung des Gewässerraums im Nicht-Siedlungsgebiet. Solange der Gewässerraum nicht rechtskräftig festgelegt wurde, kommen die Übergangsbestimmungen der GSchV zur Anwendung.
  • Zur Bestimmung des nötigen Gewässerraums wird das Gewässer in sinnvolle Abschnitte unterteilt (Schritt 1).
  • Bildet ein Gewässer die Grenze zwischen dem Siedlungs- und dem Landwirtschaftsgebiet bzw. zwischen dem Siedlungsgebiet und dem Wald, wird der Gewässerraum beidseitig ausgeschieden, d.h. auch im Landwirtschaftsgebiet und im Wald.
  • Bei kurzen sogenannten Verbindungsabschnitten (max. 300 m Länge) zwischen Siedlungsgebieten wird der Gewässerraum in der Regel durchgezogen, auch wenn dadurch beidseitig Nicht-Siedlungsgebiet (Landwirtschaftszone oder Wald) betroffen wird.
  • Verläuft das Gewässer durch ein Waldstück, welches von Siedlungsgebiet umgeben ist und tangieren die geltenden Übergangsbestimmungen oder der potenzielle Gewässerraum das Siedlungsgebiet, wird der Gewässerraum auch im Waldstück ausgeschieden. Durch den Gewässerraum beanspruchte Waldboden bleibt weiterhin der Waldgesetzgebung unterstellt.
  • Bildet ein Gewässer die Grenze zwischen zwei Gemeinden bzw. liegt es an der Grenze, wo das Gewässer von der einen Gemeinde in die nächst unterliegende verläuft, wird die Ausscheidung des Gewässerraums aufeinander abgestimmt und die Festlegung zwischen den Gemeinden koordiniert.
  • Bei einer Anpassung des Gewässerraums orientiert sich dieser an zusammenhängenden Siedlungseinheiten/-strukturen. Gebäude sind bei der Gewässerraumfestlegung grundsätzlich nicht zu umfahren, das Anschneiden durch den Gewässerraum ist, auch bei bestehenden Schutzobjekten, in Kauf zu nehmen. Sind die Voraussetzungen für eine Reduktion gegeben, ist jedoch zu prüfen, wie weit der Gewässerraum reduziert werden kann, um das Anschneiden von Schutzobjekten möglichst gering zu halten bzw. zu vermeiden. Der Gewässerraum ist vorzugsweise gleichmässig breit als kontinuierlicher Korridor auszuscheiden, d.h. es sind keine abrupten Richtungswechsel vorzunehmen. Die Anpassung an harmonisch verlaufende Fassadenlinien oder eine asymmetrische Anordnung ist mit einer entsprechenden Begründung möglich.
  • Die Ausscheidung des minimalen Gewässerraums gemäss GSchV (Schritt 2) und die Prüfung zur Erhöhung des Gewässerraums (Schritt 3) sollen mit verhältnismässigem Aufwand möglich sein.
  • Eine Anpassung des Gewässerraums im dicht überbauten Gebiet (Reduktion) macht vertiefte Abklärungen nötig. Eine umfassende Interessenabwägung muss sichergestellt werden (Schritt 4) und Schritt 5). Im Rahmen der Gewässerraumfestlegung im vereinfachten Verfahren wird ein Abschnitt nur dann abschliessend als «dicht überbaut» oder «nicht dicht überbaut» bezeichnet, wenn für den betreffenden Abschnitt eine Reduktion erfolgt (und damit der detaillierte Nachweis anhand der Indizien für das Vorliegen von dicht überbautem Gebiet zwingend erbracht werden und positiv ausgefallen sein musste) oder eine Reduktion im Detail geprüft wurde, der detaillierte Nachweis jedoch zeigte, dass die Indizien für das Vorliegen von dicht überbautem Gebiet nicht ausreichend erfüllt sind. An Abschnitten, an denen nicht vordergründig die Absicht besteht, den minimalen Gewässerraum zu reduzieren, soll anhand einer groben Einschätzung lediglich eine Tendenz für «dicht überbaut» oder «nicht dicht überbaut» angegeben werden. Aus der Bezeichnung einer Tendenz zu dicht überbaut lässt sich keinen Anspruch auf eine spätere Reduktion des Gewässerraums oder auf eine Ausnahmebewilligung im Fall eines Bauvorhabens ableiten. Umgekehrt lässt sich aus der Bezeichnung einer Tendenz zu nicht dicht überbaut nicht ableiten, dass eine Reduktion des Gewässerraums oder die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen ist. Die Tendenz lässt die Möglichkeit offen, die abschliessende Beurteilung im Bedarfsfall zu gegebener Zeit, stufengerecht für das jeweilige Vorhaben vorzunehmen und kann für diesen Fall als Argument beigezogen werden.
  • Die flächendeckende Festlegung des Gewässerraums im Siedlungsgebiet im vereinfachten Verfahren oder im nutzungsplanerischen Verfahren (im Rahmen einer Revision der Nutzungsplanung) ist eine übergeordnete planerische Festlegung. Sie dient der langfristigen Sicherung der Gewässerinteressen auf Grundlage der gegebenen Hochwassersituation und bekannter Planungen und Bauvorhaben zum Zeitpunkt der Festlegung. Sofern zu einem späteren Zeitpunkt, nach einer Gewässerraumfestlegung, neue Erkenntnisse vorliegen (z.B. Hochwasserschutzprojekt, Gestaltungsplan mit wasserbaulichem Vorprojekt etc.), kann der Gewässerraum revidiert und ggf. angepasst werden.